Tiefenimagination und Totempfähle
Was hat der Personal Totempole Process® mit Totempfählen zu tun?
Kurzer Abriss über den Ursprung der Methode
Die Methode der Tiefenimagination, auch Personal Totempole Process® (PTPP) genannt, ist weder an eine indigene noch an eine andere Tradition oder an ein Glaubenssystem gebunden. Vielmehr vereint sie Aspekte verschiedenen Ursprungs (wie den tiefenpsychologischen Ansatz der aktiven Imaginationsarbeit nach C. G. Jung, östliche Sichtweisen hinsichtlich der im Menschen vorhandenen Energiezentren sowie indigene Auffassungen von Krafttieren, die mit Menschen kommunizieren und deren Lehrer sein können).
Aber wieso ist immer wieder von Totempfählen und sogar von einem Persönlichen Totempfahl Prozess die Rede?
Eligio Stephen Gallegos, der selbst indigene Wurzeln besitzt, beschäftigte sich im Laufe seiner Tätigkeit als Psychologe und Psychotherapeut eine zeitlang näher mit der Kunst indigener Kulturen der amerikanischen Nordwestküste (Haida, Tsimshian Kwakiutl, Tlingit), die ihn zutiefst fasziniert und schließlich zur Methode der Tiefenimagination geführt hat. Doch zuerst einmal – Was genau sind eigentlich Totempfähle?
Totempfähle als Kulturträger
Totempfähle, auch Wappenpfähle, sind monumentale, meist aus dem Holz der Western Red Cedar geschnitzte Pfähle bei Indianern der amerikanischen Nordwest-Küste (Haida, Tsimshian, Kwakiutl, Tlingit). Diese von indigenen Holzschnitzern gestalteten Pfähle sind nicht nur einzigartige Kunstwerke, sondern erzählen auf traditionelle Art Geschichten ganzer Familien und Clans und überliefern dabei gleichzeitig Kultur. Nach einer Legende der Haida kam die Tradition der Totempfähle einst aus der Unterwasserwelt (siehe auch: Die Legende vom ersten Totempfahl).
Häufig handelt es sich bei den in die Totempfähle geschnitzten Bildern um Lebewesen aus der natürlichen Umwelt wie zum Beispiel Bär, Fisch, Wolf, Wal, Adler, Otter oder Rabe, aber auch um mythische Wesen wie Donnervogel oder Seeschlange.
Ein Großteil der Totempfähle verweist auf eine mythische Zeit, in der die Grenzen zwischen Menschen, Geistern und Tieren sehr fließend waren. Menschen und Tiere konnten untereinander heiraten, und auch verwandelten sich Geister aus tierischer in menschliche Gestalt und umgekehrt. Menschen, die besondere Erfahrungen mit Tieren und Geistern gemacht hatten, kamen auf diese Weise zu einem bestimmten Wappentier, das später von den Nachfahren übernommen wurde. Ein Totempfahl, der ein Wappentier an seiner Spitze zeigt, erzählt somit nicht nur von Abstammung, sondern auch von Mythologie, Familiengeschichte und sogar von spezifischen Rechten, derer sich diese Familie aufgrund von besonderen Erfahrungen ihrer Ahnen erfreut. Praktisch macht der Totempfahl demnach oft verschiedene unsichtbare Rechte einer Familie sichtbar – wie zum Beispiel das Recht, bestimmte Tänze aufzuführen oder bestimmte Lieder zu singen.
Für Totempfähle gab und gibt es verschiedene Standorte – so wurden beispielsweise sog. Welcoming Poles traditionell am Wasser errichtet, sog. House Poles wurden vor allem vor den Häusern von Häuptlingen mit hohem Rang aufgestellt. Manchmal befinden sich Totempfähle auch an Gräbern oder fungieren selbst als solche. Bemalt wurden die Totempfähle mit Farben aus Fichtenharz, Beeren und Wurzeln, die mit einer Mischung aus Spucke, Lachsrogen und zerkauter Zedernrinde gebunden wurden. Immer wenn ein neuer Totempfahl aufgestellt wurde, fand danach ein Potlatch statt, ein oft mehrere Tage andauerndes Fest, bei dem sehr viele Geschenke verteilt wurden.
Der Begriff Totem stammt übrigens aus der Algonkin-Sprache Südkanadas und bedeutet soviel wie "Verwandtschaft", "Familienabzeichen" oder auch "persönlicher Schutzgeist". Unter Totemismus verstanden Kulturforscher eine Geisteshaltung, bei der eine Person oder eine Gruppe von Menschen andauernde Beziehungen zu Tieren, Pflanzen oder Erscheinungen pflegt, denen man sich gefühlsmäßig in einem verwandtschaftlichen Sinne verbunden fühlt und die man dementsprechend respektvoll behandelt.*
Doch wie kam Steve Gallegos nun von den Totempfählen zur Tiefenimagination?
Von der Inspiration zur Vision – Der persönliche Totempfahl
Wie schon erwähnt war Eligio Stephen Gallegos von der Kunst der indigenen Totempole-Schnitzer fasziniert. In einem visionären Moment bemerkte er eines Tages, dass sich in seinem Inneren ebenfalls ein Totempfahl befindet, an dem vertikal übereinander Tiere positioniert waren, mit denen Steve auf der Ebene seiner Imagination kommunizieren konnte. Dabei stellte er fest, dass die Anordnung der Tiere der Anordnung der Energiezentren (Chakren) in seinem Körper entsprach.
Bald begann Steve, auch mit seinen Klienten mit ihrem persönlichen Totempfahl zu arbeiten und machte eine erstaunliche Entdeckung:
„Ich war tief bewegt von der Art und Weise, wie die Chakratiere agierten. Sie schienen die inneren Dimensionen des Menschen zu kennen, hatten Zugang zu Informationen, die weder ich noch meine Klienten kannten. Sie wussten, in welchem Tempo die Therapie ablaufen musste und wirkten auf sehr subtile und geschickte Weise ein. Außerdem waren sie sehr humorvoll. Sie waren die geschicktesten Therapeuten, die mir je begegnet waren. Sie kümmerten sich nicht nur darum, dass die Klientin geheilt wurde, sondern auch, dass sie ihre Ganzheit erlangte.“
Der persönliche Totempfahl bzw. die Tiefenimagination ist also keiner indigenen Kultur zuzuordnen, sondern findet vielmehr ihren Ursprung in der Dimension der Imagination von Gallegos selbst, die wiederum von indigener Kunst inspiriert war. Dennoch sieht Gallegos Parallelen:
"Ich war davon überzeugt, dass insbesondere die Verwendung von Tierbildern, Tier-, Kunst und Tier-Maskierung wie sie von den Indianern der Nordwestküste praktiziert wurde, ein Mittel darstellte, über den eigenen engen Horizont hinauszuwachsen, um die Fülle des Menschseins zu erleben. Und ich kann nur sagen, dass ich dies durch die Lebendigkeit und Bewusstheit, die sich in ihrer Kunst ausdrückten, fühlte." E. Stephen Gallegos (aus: The Personal Totempole Process).
Gallegos´ Vision von einem inneren, prozesshaft angelegten persönlichen Totempfahl und der Verbindung zu den Energiezentren im Körper des Menschen wird von den entsprechenden indigenen Kulturen der amerikanischen Nordwestküste so nicht kommuniziert bzw. sind diesbezüglich keinerlei ethnographische Quellen zu finden. Dennoch wird die Methode der Tiefenimagination heute auch von vielen Menschen indigenen Ursprungs sehr gern angenommen und dementsprechend geschätzt.
Mit dem ganzen Wesen sehen...
Bei den Tierdarstellungen der indigenen Haida und Kwakiutl scheinen die Tiere oftmals am ganzen Körper Augen zu haben. Steve Gallegos schloss daraus, dass sich die klassisch
proportionierten Ovoide (Augendarstellungen) auf die Fähigkeit der Tiere beziehen, mit ihrem ganzen Wesen sehen können und übertrug dies auf die PTPP-Methode: Die Tiefenimagination geht von einem, seiner Natur nach, mit dem ganzen Wesen sehenden Menschen aus.
Der Mensch sieht also nicht nur mit seinen Augen, sondern auch mit seinem Körper, seiner Haut, seinen Gefühlen und vor allem durch seine Imagination.
Je mehr wir in Beziehung treten mit der Dimension unserer tiefen Imagination, um so mehr wird dieses unserer ureigenen Lebendigkeit innewohnende ganzheitliche Sehen wieder aktiviert.